Drucken

Vortragstitel:
Hilflose Historikerinnen und Historiker in den Archiven?
Tag:
01.10.2010
Epoche:
Neuere/Neueste Geschichte
Sektion:
Im Grenzbereich zwischen Quellenproduzenten, Archiven und historischer Forschung

Abstract:

Hilflose Historikerinnen und Historiker in den Archiven? Zur Bedeutung einer zukünftigen archivalischen Quellenkunde für die universitäre Lehre

Referent/in: Robert Kretzschmar, Stuttgart/Tübingen


Abstract

Wer Archivgut quellenkritisch auswerten möchte, muss die Eigenheiten archivalischer Überlieferungen kennen und den Umgang damit einüben. Entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten müssen im Studium vermittelt werden. Aber auch unabhängig davon gehört ein Überblick über die in Archiven nutzbare Überlieferung zum Grundwissen des Historikers.

Angesichts weitgehender Veränderungen in der Aktenproduktion seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, vor allem aber als Folge der technischen Entwicklungen im digitalen Zeitalter muss die archivalische Quellenkunde und vor allem die Aktenkunde fortgeschrieben werden, um den Nutzern der Archive das erforderliche Rüstzeug zu vermitteln. Die Archive haben seit dem 20. Jahrhundert in großem Umfang Unterlagen übernommen, die in der traditionellen Aktenkunde nicht berücksichtigt sind. Dazu zählen massenhafte Aktenbestände, aber auch audiovisuelle Überlieferungen. Seit einiger Zeit werden auch genuin digitale Unterlagen als Archivgut in den Verantwortungsbereich der Archive überführt, um Nutzern schon heute oder später als Quelle zur Verfügung zu stehen. Grundlegende Fragestellungen zu den Strukturen dieser Überlieferungen wurden und werden von der Archivwissenschaft beantwortet, kaum jedoch aus quellenkundlicher Perspektive von den Historischen Hilfswissenschaften.

Angesichts deren Abwicklung an zahlreichen Universitäten sind heute die Archivarinnen und Archivare in besonderer Weise gefordert, die archivalische Quellenkunde voranzubringen, um einer Entwicklung entgegen zu wirken, bei der zunehmend „hilflose Historikerinnen und Historiker“ in den Archiven forschen“, wie Manfred Rasch schon vor einiger Zeit formuliert hat. Dies gilt auch für die ältere archivalische Überlieferung seit dem Mittelalter, die in weiten Bereichen noch nicht unter quellenkundlichen Fragestellungen betrachtet wurde.

In dem Referat sollen die Anforderungen an eine zeitgemäße Archivalienkunde skizziert werden. Anhand von Beispielen aus der Lehrtätigkeit des Referenten an der Universität Tübingen werden zudem praxisbezogene Beispiele gegeben, wie Archivalienkunde vermittelt werden kann.