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Vortragstitel:
Repräsentation historischen Wandels in indischen Quellen und die moderne Geschichtsschreibung
Tag:
30.09.2010
Epoche:
Epochenübergreifende Sektion
Sektion:
Historische Epochengrenzen und Periodisierungssysteme im globalen Vergleich

Abstract:

Repräsentation historischen Wandels in indischen Quellen und die moderne Geschichtsschreibung

Referent/in: Angelika Malinar, Zuerich


Abstract

Repräsentation historischen Wandels in indischen Quellen und die moderne Geschichtsschreibung Modelle der Periodisierung indischer Geschichte werden seit Beginn der britischen Kolonialherrschaft zumeist unter Zurückweisung indigener bzw. „traditioneller“ Repräsentationen von Veränderung entworfen. Die frühen historiographischen Entwürfe waren von der Ansicht getragen, dass es vor der Ankunft der Europäer in Indien keine indigene Geschichtsschreibung gegeben habe, die den Namen verdiene. Zwar lassen Inschriften, Chroniken und Artefakte auf ein gewisses historisches Interesse schließen, das aber immer mit Mythos und Religion verquickt gewesen sei. Da die indische Kultur insgesamt durch eine sog. „zyklische Zeitauffassung“ geprägt sei, fehle ihr die Grundvoraussetzung allen historischen Denkens: der „lineare Zeitbegriff“. Eng verbunden mit der inzwischen allgemein als obsolet und irreführend geltenden These vom zyklischen Zeitbegriff in Indien ist die Auffassung, dass die indische Gesellschaft eher durch Kontinuität und Erhaltung jahrtausende alter Traditionen geprägt ist als durch Wandel und historische Dynamik. Eine einflussreiche, seit der Kolonialzeit immer wieder vorgetragene These lautet daher, dass „Veränderung“ in Indien in der Regel durch Einflüsse bzw. Eroberungen von Außen ausgelöst und greifbar werden. Hierbei spielen die islamischen Eroberungen eine besondere Rolle, die einer sich über fast 2000 Jahre erstreckenden „(hinduistische) Antike“ ein Ende bereiteten und in Indien ein „(islamisches) Mittelalter“ anbrechen ließen. Diese Epoche werde von der „Moderne“ abgelöst, die mit der britischen Kolonialherrschaft in Indien Einzug hält. Im Rahmen dieses dreigliedrigen Standardnarrrativs entwickeln sich vor allem im Zuge der frühen nationalistischen Geschichtsschreibung Debatten um die Wertung der einzelnen Epochen, vor allem der Epochen der sog. „Fremdherrschaft“. Dabei geht es vor allem um die Rolle der nun als „fremd“ deklarierten islamischen Religion, die als Instrument der Unterdrückung der ursprünglichen „hinduistischen“ Kultur angesehen wird. Nicht selten wird in diesem Zusammenhang die britische Herrschaft als Chance zur Traditionserneuerung angesehen. Religion spielt bei der Epochenbeschreibung eine wichtige Rolle.

In der post-koloniale Historiographie bemüht man sich zum einem um eine stärkere Ausdifferenzierung der immer noch paradigmatischen Dreiteilung, etwa durch Begriffe wie „early medieval“ oder „frühe Neuzeit“. Zum anderen geht es darum, andere Modelle der Periodisierung (etwa Regionalgeschichte oder Prozesse der Staatenbildung) auf die indische Geschichte anzuwenden. Dabei kommt es zu Neubewertungen vor allem der „indischen Mittelalters“, das nicht mehr allein als Epoche des Zerfalls der alten Großreiche angesehen wird. Neue Perspektiven auf die Periodisierung eröffnen auch die Debatten um „multiple modernities“, die seit einiger Zeit in verschiedenen Disziplinen geführt werden und z.B. die Frage nach einer „indischen Neuzeit“ bzw. „early modern India“ aufwirft. Hierbei kommt es zu Neubewertungen der vorkolonialen Zeit, der sog. „islamischen Herrschaft“ sowie zu neuen Modellen der Periodisierung insgesamt.